Offene Stellungnahme
zum sonderpädagogischen Stellenabbau am Städtischen Gymnasium der Stadt Olpe
Empörend! Es geht hier um Kinder, deren Recht auf Teilhabe und (Bildungs-)biografien!
Am Städtischen Gymnasium Olpe (SGO) sollen im kommenden Schuljahr die sonderpädagogischen Stunden von derzeit knapp 60 auf dann knapp 17 reduziert werden. Von zwei Sonderpädagogen an fünf Tagen, auf einen Sonderpädagogen an drei Tagen. Natürlich sind es nicht die Sonderpädagogen im Allgemeinen, die für das gute Gelingen inklusiven Schullebens hauptverantwortlich sind. Eine ausreichende personelle Ressource ist aber zweifelsohne für das Gelingen unabdingbar.
Wenn nun die hierfür verantwortliche Bezirksregierung auf Rückfrage regionaler Medien versichert, „dass das Gymnasium alles tun werde, was in seiner Kraft steht, und alles tue, was menschenmöglich sei, um den Kindern die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen“ dann ist das – mit Verlaub – ein empörender Euphemismus.
Das Recht auf gelingende und nachhaltige Teilhabe von 21 Kindern mit besonderen Förderbedarfen am SGO wird mit diesem drastischen „Stellenabbau“ ad Absurdum geführt. Das SGO, welches nach einem feststehenden Konzept arbeitet, wird ohne die dafür notwendige personelle Ressource mit der weiteren Beschulung im Regen stehen gelassen. Die Umsetzung schulischer Inklusion ist kein Light-Konzept. Sie benötigt ausreichend Ressource und die entsprechende Haltung der Beteiligten. Haltung hat das SGO gezeigt: es gibt einen mehrheitlichen Konferenzbeschluss der Lehrerschaft, die am Inklusionskonzept festhalten möchte und auch die Schulpflegschaft und die Schülervertretung stehen deutlich hinter dem Konzept. Das Olper SGO ist eines von vielen Gymnasien in NRW, welches sich auf den Weg machen musste und gemacht hat, ein Konzept zur inklusiven Beschulung zu erarbeiten und umzusetzen. Heute zeigen sich dem allgemeinen Vernehmen nach die Schüler*innen (beeinträchtigt oder nicht), die Eltern und auch die Lehrer*innen und sonstigen Mitarbeiter*innen der Schule zufrieden mit der derzeitigen Umsetzung am SGO.
Und nun soll ein funktionierendes Konzept mit Verweis auf einen Erlass des NRW-Bildungsministeriums, welches die Gymnasien wieder aus dem Inklusionsprozess herausnehmen möchte, zerstört werden?
Der reine Verweis auf diesen Erlass reicht an dieser Stelle aber nicht aus. Das SGO erfüllt alle im Erlass geforderten Bedingungen, die es aus eigener Kraft erfüllen kann: die Schule hat sich freiwillig für den Fortbestand der Inklusion ausgesprochen, es liegt ein pädagogisches Konzept zur inklusiven Bildung vor, die sächlichen Voraussetzungen (z.B. räumliche und materielle) sind dank der begrüßenswerten Unterstützung des Schulträgers (der Stadt Olpe) gesichert. Die letzte Bedingung, die bislang gegeben war, kann die Schule aber eben nicht eigenständig gewährleisten: die pädagogische Kontinuität durch Sonderpädagogen. Diese sollen nun mit dem Verweis auf den besagten Erlass entzogen werden, da im kommenden Schuljahr nicht ausreichend Schüler*innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in die 5. Klassen der weiterführenden Schulen in Olpe wechseln. Diese Begründung ist mehr als fragwürdig. Erstens werden entsprechende Unterstützungsbedarfe in den sogenannten Lern- und Entwicklungsstörungen (Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung) häufig auch noch in den 5. Klassen attestiert (so dass hier dann plötzlich die Zahlen der Kinder steigen). Zweitens wird die Stadt Olpe auf lange Sicht zwei weiterführende allgemeine Schulen benötigen, die nach inklusiven Konzepten arbeiten und im Rahmen des Gemeinsamen Lernens Schüler*innen mit und ohne Beeinträchtigungen aufnehmen. Inklusion ist Menschenrecht und soll auch laut NRW-Schulgesetz zum Regelfall werden. Bei steigenden Zahlen von Schüler*innen mit besonderen Förderbedarfen, gibt es offensichtlich einen steigenden Bedarf an Plätzen des Gemeinsamen Lernens an weiterführenden Schulen.
Wie kurzsichtig wäre es da, ein funktionierendes Konzept einer Schule einfach auslaufen zu lassen?
Ermutigend und bemerkenswert in der derzeitigen Situation ist, dass sich Schulträger, Schule, Elternvertretungen (aller Kinder) und Schülerinnenvertretung gemeinsam für den Fortbestand der Inklusion am SGO und die dafür notwendigen Bedingungen und Ressourcen einsetzen. Das ist heutzutage leider nicht selbstverständlich.
Ein wichtiger Punkt in der Diskussion ist auch der Folgende: Die meisten Eltern haben seinerzeit nicht aus eigenen Stücken das Gymnasium als Ort des Gemeinsamen Lernens für ihre Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf gewünscht, wie oft suggeriert wird. Richtig ist: die Eltern wünschten das Gemeinsame Lernen ihrer Kinder an einer Regelschule. Sie wollten keine Sonderbeschulung auf einer Förderschule, sondern ihre Kinder mittendrin leben und lernen sehen. Angeboten wurde ihnen damals nur das SGO, auch wenn viele sich eine Sekundarschule für ihre Kinder besser vorstellen konnten und vielleicht gewünscht hätten.
Wenn die obere Schulaufsicht nun an dieser verheerenden Kürzung der personellen Ressourcen festhält, lässt sie den Eltern keine wirkliche Wahl. Denn unter diesen Bedingungen erscheint eine Beendung der Schulzeit ihrer Kinder am SGO realistisch betrachtet kaum möglich. Wer den Kindern dann wohl sagt, dass sie trotz der Zufriedenheit aller Beteiligten keine Zukunft an dieser Schule haben und ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen?
Und welches Angebot des Gemeinsamens Lernens würde Eltern und Kindern dann unterbreitet? Denn klar ist: das Menschenrecht auf Inklusion ist geltendes Recht. Schulträger und Schulaufsicht müssen Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf mindestens eine weiterführende allgemeine Schule des Gemeinsamen Lernens in Olpe anbieten. Das ist auch in NRW mittlerweile schulgesetzlich geregelt. Welch traumhafte personelle Bedingungen würden dann wohl unter dem Stichwort Ressourcenbündelung an der zweiten, weiterhin Inklusion betreibenden weiterführenden Schule in Olpe geschaffen?!
Wir als Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Olpe plus e.V.setzen uns bereits seit neun Jahren für den Aufbau eines nachhaltigen und qualitativ hochwertigen inklusiven Bildungssystems in unserer Region und darüber hinaus ein. Wir tun dies gemeinsam mit einer Vielzahl an Vereinen und Organisationen NRW-weit und deutschlandweit. So gehören wir auch dem Bündnis für inklusive Bildung in NRWan. Dieses Bündnis hat sich im Juni 2018 zusammengeschlossen. Ihm gehören inzwischen 40 Organisationen an.
Dazu gehören neben zahlreichen Elternvereinen auch die Landesschüler*innenvertretung und die Bildungsgewerkschaft GEW. Mitglied sind unter anderen ebenfalls der Landesbehindertenrat, die LAG Selbsthilfe, der Grundschulverband NRW sowie die Sozialverbände SoVD und VdK. Das Bündnis macht in seinen Stellungnahmen deutlich, dass sowohl die Landesregierung als auch die untergeordneten Behörden und alle an Schule Beteiligten das Inklusionsverständnis der UN-Behindertenrechtskonvention als Menschenrecht akzeptieren müssen. Gemäß der Allgemeinen Bemerkung Nr. 4 (2016) zum Recht auf inklusive Bildungmüssen auf allen Ebenen wirksame Maßnahmen eingeleitet werden, um den Prozess der Inklusion fortzusetzen. Inklusive Bildung ist keine Belastung oder Wohltat der Landesregierung und anderer Ebenen, sondern fundamentales Menschenrecht und Bereicherung der Gesellschaft, welches es umzusetzen gilt. Eine Position, die im Übrigen auch immer wieder von der deutschen Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, dem Deutschen Institut für Menschenrechte, deutlich angemahnt wird.
Auch in diesem Sinne muss der Fortbestand des gemeinsamen und inklusiven Lernens am SGO unter vernünftigen Qualitätsbedingungen erhalten bleiben und es darf keine Verschlechterung der Bedingungen geben.
Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Olpe plus e.V.