Aus der Praxis einer Schule
Preisträger-Schule stellt ihre inklusive Arbeit in Olpe vor
Am 15. Oktober 2013 hatten wir das Schulleitungsteam der Bonner Kettelerschule (Christina Lang-Winter und Sandra van de Gey) im Rahmen unserer Reihe Gelingende Schulen – Auf dem Weg zur Inklusion zu Gast in Olpe. Die beiden Damen stellten vor über 100 ZuhörerInnen auf eindrückliche Art die Arbeit der Schule dar, die mit dem Jakob-Muth-Preis für inklusive Schulen ausgezeichnet wurde.
Zur Schule
Die Ketteler-Grundschule in Bonn-Dransdorf ist eine Ganztagschule mit durchgängiger Jahrgangsmischung. Jedes Kind aus Dransdorf, einem Stadtteil mit extrem gemischter sozialer Struktur, wird aufgenommen. 200 Kinder besuchen die Schule; jedes fünfte Kind hat sonderpädagogischen Förderbedarf. Je 25 Kinder aus allen vier Klassenstufen bilden gemeinsam eine „Lernfamilie“; zwei Lernfamilien bilden eine enge Partnerschaft. Wie die Lernfamilien zusammengesetzt sind, entscheidet sich jedes Jahr nach den Anmeldungen: Bei jedem Kind, das angemeldet wird, nehmen sich die Lehrer Zeit für eine ausführliche Eingangsdiagnostik.
Allen Kindern gerecht werden?!
Seit 1993 gibt es gemeinsamen Unterricht an der Ketteler-Grundschule; seit 2006 wird die Inklusion intensiv vorangetrieben und umfasst heute alle Klassen. Eine Inklusionsgruppe aus Eltern, Lehrern und Schülern begleitet den Schulentwicklungsprozess bis heute. Durch die Inklusion und die Jahrgangsmischung wird der Blick auf das einzelne Kind und seine Möglichkeiten geschärft: Jedes Kind hat ein anderes Lernziel, nämlich seinen nächsten Entwicklungsschritt. Entsprechend ist auch der Unterricht organisiert. Es gibt keinen Schulgong, sondern einen rhythmisierten Tagesablauf. Eine Vielzahl an Lehr- und Lernmethoden sowie vorbereitete Lernumgebungen mit gut organisiertem Material ermöglichen den Kindern, selbsttätig und handlungsorientiert so zu arbeiten, wie es ihrer Entwicklung und ihrem Lerntyp gerade am zuträglichsten ist. So kann eine altersgemischte Gruppe von Jungen einen Vortrag über Pokémons halten, für den sie ein Lernplakat erarbeitet hat, während zwei Mädchen in der Forscherzeit dem Thema Strom nachgehen und ein Kind alleine das kleine Einmaleins mit Fußbodenzahlen übt. Häufig können die Kinder auch wählen, wo sie gerade arbeiten wollen: Jeder der acht Lernfamilien stehen ein Klassenraum, ein Flur und ein Aufenthaltsraum zur Verfügung, die räumlich miteinander verbunden sind und jederzeit genutzt werden können; die meisten Lernfamilien verfügen über Forscher-Ecken. Zeiten in der Lernfamilie als Ganzes und in jahrgangsreinen Gruppen wechseln sich ab. Regelmäßige Lerngespräche zwischen Schülern und Lehrern, in denen die Kinder ihren Stand einschätzen, helfen dabei, Lernfortschritte zu sichern.
Jede Lernfamilie hat dabei ein festes Team aus Förder- und Grundschullehrern und einer Erzieherin; beide Lehrer sind gleichwertige Ansprechpartner für alle Kinder. Außerdem gehören Sozialpädagogen, Schulbegleiter und FSJler (Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahrs) zur Schulgemeinschaft; der Stundenplan enthält die Zeiten für alle Mitarbeiter der Schule.
Die Teilnahme am Ganztag ist für alle Kinder verpflichtend. Für das leibliche Wohl der Kinder ist mit einem Frühstücksangebot und dem gemeinsamen Mittagessen gesorgt – dazu gehört auch das Zähneputzen im Anschluss. Gegessen wird in der Lernfamilie, so dass die Kinder den ganzen Tag in ihrer vertrauten Gruppe bleiben, was besonders für Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf wichtig ist. Der Pausenhof ist nach dem Konzept der Bewegten Pause gestaltet, mit verschiedenen räumlichen Ebenen, Ruhezone, Wiese etc. In den Pausen ist Fini, die Schulhündin, ein begehrter Partner für Spaziergänge und Spiele. Fini ist in zwei Lernfamilien regelmäßig „tätig“. Die Schule kooperiert mit Ergo- und Sprachheiltherapeuten, die in den Ganztag eingebunden sind.
Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist eng: So melden sich die Lehrer auch (und besonders gerne) bei den Eltern, wenn ein Kind etwas Besonderes geleistet hat – und nicht nur, um problematische Entwicklungen zu besprechen. In einem Erziehungsvertrag werden die Rechte und Pflichten aller an der Erziehung und Bildung Beteiligten vereinbart.
Erfolg gibt der Schule Recht
So ist die Schule Lebens- und Lernraum für alle Kinder, Lehrer und Eltern – und der Erfolg gibt ihr Recht: seit die Kettelerschule den Weg zur inklusiven Schule beschreitet und jahrgangsübergreifend unterrichtet, hat sich der Anteil der Schüler, die anschließend aufs Gymnasium gehen, verdoppelt, von 7 auf 14 Prozent; der Anteil an Realschülern hat sich sogar fast verdreifacht: von 25 auf mehr als 70 Prozent.
Es gibt kein Rezept für eine gute inklusive Schule, aber …
das sympathische Schulleitungsteam der Kettelerschule aus Bonn konnte bei dem Vortrag in Olpe aufzeigen, welche Wege und Möglichkeiten es gibt, alle Kinder willkommen zu heißen, die Vielfalt anzunehmen und wertzuschätzen und die SchülerInnen erfolgreich individuell und in Gemeinschaft leben und lernen zu lassen.
