Am 11. Juli 2011 beauftragte der Kreistag des Kreises Olpe mit einem Beschluss den Landrat mit 41 zu 4 Stimmen, „in Abstimmung mit den Städten und Gemeinden einen kommunalen Inklusionsplan zu erstellen“.
Gleichzeitig wurde die Zielsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention befürwortet, „ein inklusives Bildungssystem für das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen in der allgemeinen Schule aufzubauen.“
Zwei Jahre nach dem Kreistagsbeschluss stellt sich vielen Eltern, Lehrern und anderen Fachleuten im Kreis die Frage, wie dieser Beschluss bis heute umgesetzt wurde. Warum wurde noch nicht mit der Erarbeitung eines kreisweiten Inklusionsplans begonnen? Ein solcher Inklusionsplan sollte konkret beschreiben, wie Schüler, Schulen und Eltern bei der Umsetzung des sogenannten Gemeinsamen Unterrichts u.a. von Seiten des Kreises und der Kommunen als Schulträger unterstützt werden sollen.
Bürgeranträge auf Einrichtung eines Arbeitskreises „Inklusive Bildung im Kreis Olpe“
Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Olpe plus e.V. und acht weitere Vereine und Initiativen (siehe unten) haben sich nun dazu entschlossen, einen konstruktiven Vorschlag für den weiteren Weg im Kreis Olpe zu machen:
Gemeinsam haben wir heute (16. Juli 2013) an den Kreis Olpe und seine Städte und Gemeinden Bürgeranträge auf die Einrichung eines Arbeitskreises „Inklusive Bildung im Kreis Olpe“ gestellt.
Mit diesem Schritt geht es uns NICHT darum, eine schnelle Erhöhung der Inklusionsquote im Kreis Olpe zu erreichen.
Ein von der UN-Behindertenrechtskonvention eingefordertes hochqualitatives „inklusives Bildungssystem“ entsteht nicht durch die numerische Ausweitung der Plätze für Kinder mit Beeinträchtigungen im Gemeinsamen Unterricht.
Kindern mit Beeinträchtigungen, deren Eltern heute das Gemeinsame Lernen in einer Regelschule im Kreis Olpe wünschen, muss schon heute ein entsprechender Platz eingeräumt werden und die notwendigen Bedingungen sind zu schaffen. Dies ist spätestens seit der UN-Behindertenrechtskonvention das gute Recht der Kinder und Eltern. Laut Auskunft der örtlichen Schulaufsicht wird diesen Wünschen auch immer nachgekommen.
Das Ziel der Bürgeranträge ist darüber hinaus, einen nachhaltig geplanten schulischen Inklusionsprozess im Kreis zu initiieren. In dem geforderten Arbeitskreis sollte das Wissen verschiedenster Beteiligter in der Region (Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen, sonstige Fachleute, PolitikerInnen und Mitarbeiter der Verwaltungen etc.) genutzt werden, um Empfehlungen für einen praxis- und qualitätsorientierten Inklusionsplan für den Kreis Olpe zu erarbeiten. Mehr dazu lesen Sie weiter unten.
Positive Erfahrungen mit gemeinsamem Lernen in der Praxis
Deutschlandweit zeigen schon heute viele Schulen, dass sie im sogenannten Gemeinsamen Unterricht (GU) Schüler mit und Schüler ohne Beeinträchtigungen in hoher Qualität, und ihren jeweiligen Möglichkeiten entsprechend individuell fordern und fördern können. Auch im Kreis Olpe gibt es Schulen, die dies schon seit vielen Jahren fern von allen Inklusionsdiskussionen erfolgreich praktizieren. Mit hohem Engagement der Mitarbeiter belegen sie, was Studien längst aufzeigen: der Gemeinsame Unterricht gut für alle Schüler. Einig sind sich die Praktiker darin, dass dies natürlich die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen auch durch Politik und Verwaltung nötig macht – und zwar sowohl auf Landesebene als auch auf Ebene der Kreise, Städte und Gemeinden.
Landes- und Kommunalpoltik gefordert
Ein Gesetzentwurf zur schulischen Inklusion soll im Herbst im Landtag verabschiedet werden. Auch wenn dieser in einigen Punkten kritisiert wird, sind sich alle Parteien im Landtag grundsätzlich einig, die UN-BRK umsetzen und ein inklusives Schulsystem errichten zu wollen. Die inklusive Beschulung von Schülern mit Beeinträchtigungen soll der Regelfall werden. Dies wurde trotz angeführter Kritikpunkte auch von dem weit überwiegenden Teil der Experten (z.B. der Lehrer- und Elternverbände, der Wissenschaft, der Städte und Gemeinden) im Rahmen eines großangelegten Anhörungsverfahrens zum Gesetzentwurf deutlich begrüßt.
Neben den vom Land einzufordernden Regelungen und Ressourcen zur Umsetzung der schulischen Inklusion hängt der Erfolg inklusiver Bildung entscheidend von rechtzeitigen und wohlgeplanten Entscheidungen und Steuerungsprozessen auf regionaler Ebene ab. Viele Fragen (auch unabhängig von Finanzen) sind nur hier vor Ort zu beantworten:
Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen der Kreis und die Kommunen den Inklusionsprozess unterstützen? Wie wird das Thema in die kommunalen Schulentwicklungsplanungen einbezogen? Wie kann man das Wissen der langjährig erfolgreich GU praktizierenden Schulen im Kreis nutzen? Welche regionalen Unterstützungssysteme und Fortbildungsmaßnahmen für die Schulen soll es geben? Unser Verein Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Olpe plus e.V. hat konkrete Anregungen und Fragen aufgestellt, die im Hinblick auf eine erfolgreiche Inklusionsplanung im Kreis helfen könnten.
Hierzu wurden Inklusionspläne aus anderen Kreisen und Kommunen in NRW ausgewertet und Fragen von Eltern, Lehrern, Politikern und anderen Interessierten aus dem Kreisgebiet, die den Verein derzeit oft erreichen, aufgegriffen.
Hier finden sie den Anregungs- und Fragenkatalog.
Stark ansteigende Schülerzahlen im GU belegen Handlungsbedarf der Kommunen
Warum eine unmittelbare und transparente Erarbeitung eines regionalen Inklusionsplans für den Kreis Olpe erforderlich ist, offenbaren die Schülerzahlen: die Anzahl der Schüler mit Beeinträchtigungen und Entwicklungsverzögerungen, die allgemeine Schulen besuchen, ist in den letzten Jahren enorm angestiegen. Waren es im Schuljahr 2010/2011 noch 169 Schüler, sind es in diesem Schuljahr bereits 295 Schüler. Gibt es keine ausreichende Steuerung und entsprechende Unterstützung für die allgemeinen Schulen, führt dies zur Frustration aller Beteiligten, und es besteht die Gefahr des Scheiterns des Gemeinsamen Lernens, trotz all der positiven Erfahrungen, die es bereits gibt.
Qualitative Inklusionsplanung – aber wie?!
Ein Inklusionsplan für den Kreis Olpe sollte daher die sinnvolle Steuerung und konkrete Unterstützung des Inklusionsprozesses beschreiben. Er sollte ein regional ausgerichtetes Handlungsmodell beschreiben, welches eine bestmögliche Unterstützung der inklusiv arbeitenden allgemeinen Schulen zum Ziel hat; ein Modell, das von den bereits vorhandenen Kenntnissen, Ressourcen und Kooperationsstrukturen im Kreis ausgeht.
Der Expertenkreis „Inklusive Bildung“ der Deutschen UNESCO-Kommission hat diesbezüglich wichtige Erfolgsfaktoren zur Umsetzung inklusiver Bildung auf kommunaler Ebene identifiziert. Diese sind auch für Inklusionsplanungen im Kreis Olpe wichtig: Bestandsaufnahme und Analyse; Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit; Netzwerkbildung; Steuerungsmechanismen; Aktionsplan/Projektstruktur entwerfen; Stärkung von Lehrkräften und Lernumgebung.
Mehr dazu finden Sie hier: Bildungsregionen auf dem Weg.
Hier finden Sie außerdem die UNESCO-Publikation “Inklusion – Leitlinien für die Bildungspolitik”
Wissen und Erfahrungen der Menschen der Region einbeziehen
Der langwierige Prozess des Aufbaus eines inklusiven Bildungssystems kann dabei nur unter Beteiligung aller Bildungsakteure einer Region erfolgreich gelingen. Dementsprechend haben sich viele Kommunen in NRW mit der Einrichtung von Arbeits- und Steuerungsgruppen zum Thema schulische Inklusion auf den Weg gemacht.
Um diesen Prozess auch im Kreis Olpe anzustoßen, wurden die besagten Bürgeranträge auf Einrichtung eines Arbeitskreises „Inklusive Bildung“ gestellt. In einem solchen Arbeitskreis sollten konstruktive Empfehlungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Inklusion im schulischen Bereich erarbeitet werden, die dann in einen praxisorientierten Inklusionsplan fließen.
Zudem sollte über den Arbeitskreis der Ausbau von Netzwerken für eine hochwertige inklusive Bildung für alle Schüler vorangebracht und die schulische Inklusionsentwicklung für Beteiligte und die Öffentlichkeit transparent gemacht werden.
unterstützende Bürgeranträge an die sieben Städte und Gemeinden
Die Bürgeranträge wurden gestellt von der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen (vertreten durch den Lebenshilfe Center Olpe), dem Deutscher Kinderschutzbund (Kreisverband Olpe e.V.), der Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen im Kreis Olpe e.V. inklusive des Arbeitskreises Barrierefrei, dem Verein für Menschen mit Behinderungen Kreis Olpe e.V., der Selbsthilfegruppe ADS/ADHS, der Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus, der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Autismus und der Arbeitsgemeinschaft Begegnung Attendorn.
Im Sinne aller Kinder – gleich ob mit oder ohne Beeinträchtigungen – und im Sinne der Mitarbeiter in Bildungseinrichtungen im Kreis Olpe sollte nach Ansicht der Antragsteller der Planungsprozess unverzüglich aufgenommen werden. Auf diesem Weg könnte der derzeit zu spürenden Verunsicherung in Schulen und Öffentlichkeit verantwortungsvoll und zukunftsorientiert begegnet werden – und dies aufgrund der Vielzahl zu lösender Fragen bereits jetzt und nicht erst nach dem Inkrafttreten sämtlicher Vorgaben des Schulministeriums.